Die Herausforderungen für Wohnungseigentümergemeinschaften
Aufgrund der aktuellen Situation werden auch Wohnungseigentümergemeinschaften mit verschiedenen Problemen zu kämpfen haben. Für die Dauer der Pandemie können Eigentümerversammlungen, die i.d.R. eine physische Zusammenkunft voraussetzen, bis auf unabsehbare Zeit nicht (oder nur eingeschränkt) abgehalten werden. Bei größeren Gemeinschaften ist die Zusammenkunft der Eigentümer häufig schon aufgrund behördlicher Anordnungen nicht gestattet. Auch stehen vielerorts geeignete Räumlichkeiten nicht zur Verfügung. Den Wohnungseigentümern kann wegen der damit verbundenen Gesundheitsgefährdung nicht zumutbar sein, an einer Eigentümerversammlung teilzunehmen.
Die Möglichkeit, die Belange einer Eigentümergemeinschaft durch Beschlüsse zu regeln, ist damit massiv erschwert. Dies könnte etwa zur Folge haben, dass nach Ablauf eines Bestellungszeitraums es an einem wirksam bestellten Verwalter fehlt. Zudem besteht die Gefahr, dass die Liquidität der Eigentümergemeinschaft nicht mehr sichergestellt ist, etwa weil es an einem wirksamen Wirtschaftsplan fehlt.
Der Bundestag hat daher am 25. März 2020 das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht beschlossen. Dieses Gesetz sieht in Artikel 6 Änderungen des Wohnungseigentumsgesetzes vor:
6 Wohnungseigentümergemeinschaften
(1) Der zuletzt bestellte Verwalter im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes bleibt bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt.
(2) Der zuletzt von den Wohnungseigentümern beschlossene Wirtschaftsplan gilt bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort.
Was passiert, wenn die Amtszeit des bestellten WEG-Verwalters in dem Zeitraum endet, in dem die Durchführung einer Eigentümerversammlung nicht möglich ist?
Der Geset sieht vor, dass der zuletzt bestellte Verwalter bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung eines neuen Verwalters im Amt bleibt. Dadurch werden die durch den Bestellungsbeschluss sowie durch die Höchstfristen des § 26 Abs. 1 S. 2 WEG festgesetzten Begrenzungen der Amtszeit zeitweise außer Kraft gesetzt.
Die Vorschrift gilt sowohl für den Fall, dass die Amtszeit des Verwalters zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift bereits abgelaufen ist, als auch für den Fall, dass sie erst danach abläuft. Die Amtszeit endet mit der Abberufung des Verwalters oder der Bestellung eines neuen Verwalters. Die Möglichkeit der Niederlegung des Amts durch den Verwalter bleibt unberührt.
Wie sieht es mit dem Beschluss über neue Wirtschaftspläne aus?
Gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Vereins-, Genossenschafts- und Wohnungseigentumsrecht gilt der zuletzt beschlossene Wirtschaftsplan bis zum Beschluss eines neuen Wirtschaftsplans fort. Damit soll die Finanzierung der Gemeinschaft auch in den Fällen sichergestellt sein, in denen eine Fortgeltung des Wirtschaftsplans nicht sowieso schon beschlossen wurde. Unklar bleibt allerdings, wie verfahren werden soll, wenn im Wirtschaftsplan die laufenden Einnahmen die Ausgaben nicht decken.
Über die Jahresabrechnung ist zu beschließen, sobald die Eigentümerversammlung wieder zusammentreten kann. Soweit die Jahresabrechnung als Zahlenwerk insbesondere für steuerliche Zwecke erforderlich ist, ist sie den Wohnungseigentümern schon vorher zur Verfügung zu stellen.
Was passiert in dringenden Fällen (z.B. drohende Schäden, Reparaturen etc.)?
Das geltende Wohnungseigentumsgesetz (WEG) verpflichtet bereits jetzt den Verwalter in dringenden Fällen (also Eilfällen) sämtliche zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Maßnahmen auch ohne vorherige Befassung der Wohnungseigentümer zu treffen (§ 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG). Ein dringender Fall liegt vor, wenn die vorherige Befassung der Eigentümer in der Eigentümerversammlung nicht möglich ist oder zu viel Zeit verstreichen würde. Damit sind i.d.R nur Notmaßnahmen zur Beseitigung einer Gefahrenlage oder zur Verhinderung von Folgeschäden gemeint, nicht aber Maßnahmen zur dauerhaften Behebung der Schadensursache (Bärmann, WEG Kommentar, 14. Aufl., § 27 Rn 69).
Daneben ist der Verwalter berechtigt und verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, die zur Wahrung einer Frist oder zur Abwendung eines sonstigen Rechtsnachteils erforderlich sind (§ 27 Abs. 3 S.1 Nr. 2 WEG).
Auf der Grundlage des geltenden Rechts kann und muss der Verwalter demnach ohne vorherigen Beschluss der Wohnungseigentümer alle unaufschiebbaren Maßnahmen veranlassen. Dadurch bleibt die Gemeinschaft im Hinblick auf unaufschiebbare Maßnahmen in der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Situation auch dann handlungsfähig, wenn keine Eigentümerversammlung durchgeführt werden kann. Über alle anderen Maßnahmen kann entschieden werden, wenn die Eigentümerversammlung wieder zusammentreten kann.
Den Eigentümern bleibt es unbenommen, sog. „Umlaufbeschlüsse“ gemäß § 23 Abs. 3 WEG (also außerhalb einer Eigentümerversammlung) zu fassen, wenn alle Eigentümer ihre Zustimmung dazu erteilen. In größeren Gemeinschaften ist dies jedoch oftmals ein schwieriger Weg, da alle Eigentümer ihre Zustimmung erklären müssen. Fehlt es an auch nur einer einzigen Stimme, so kommt der Beschluss nicht zustande.
In einer verwalterlosen Gemeinschaft hat im Übrigen jeder Wohnungseigentümer nach § 21 Abs. 2 WEG die Befugnis, ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer alle Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig sind. Insofern besteht hierfür kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf, aufgrund der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Situation in die Kompetenzregelungen des WEG einzugreifen.
Wenn Sie als Eigentümer oder Verwaltung unsicher sind, über welche konkreten Kompetenzen der WEG-Verwalter nun verfügt, berate ich Sie gerne!
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