Die Mietrechtsfälle
Der BGH hatte zwei gleich gelagerte Fälle zu entscheiden (AZ: VIII ZR 231/17 und VIII ZR 261/17): Mietern zweier Mietverhältnisse war vermieterseitig die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen eines Zahlungsverzugs von zwei Monatsmieten ausgesprochen worden. Gleichzeitig hatten die Vermieter hilfsweise die fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses erklärt.
Die Mieter hatten in beiden Fällen nach Zugang der Kündigungserklärung die Rückstände ausgeglichen und damit die fristlose Kündigung unwirksam gemacht. Die Vermieter hielten allerdings an den fristgerecht erklärten Kündigungen fest und erhoben Räumungsklage.
Die bisherige Rechtslage
Ein Vermieter ist gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a) BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) berechtigt, die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses auszusprechen, wenn vom Mieter für zwei aufeinander folgende Termine die Miete nicht gezahlt wird. Dafür bedarf es nicht einmal einer vorherigen Abmahnung.
Der Mieter hat in diesem Fall die Möglichkeit durch Zahlung (spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Räumungsklage) die Unwirksamkeit dieser Kündigung herbeizuführen (§ 569 Abs. 3 Nr. 2, S. 1 BGB). Man spricht dabei von einem „Nachholrecht“. Diese Regelung wird als sogenannte „Schonfristregelung“ bezeichnet und dient letztlich als Schuldnerschutzvorschrift zur Vermeidung von Obdachlosigkeit.
Diese „Schonfristregelung“ gilt aber laut Gesetz nur für fristlose Kündigungen, nicht aber für die fristgemäße. Es war daher von entscheidender Bedeutung für den Verbleib der Mieter in der Wohnung, ob die vorsorglich auch ausgesprochene fristgemäße Kündigung rechtlich möglich war oder nicht.
Eine Berufungskammer beim Landgericht Berlin hatte in den Vorinstanzen (AZ: 66 S 90/17 und 66 S 192/17) entschieden, dass dies nicht möglich sei, weil ein bereits beendetes Mietverhältnis nicht mehr gekündigt werden könne, auch wenn das Mietverhältnis durch Nachzahlung wieder „auflebe“. Diese Ansicht wurde bisher auch teilweise in der einschlägigen Literatur vertreten (z. B. Schmidt /Futterer, Kommentar zum Mietrecht, 13. Aufl. § 569 Rn 65).
Das Urteil
Der BGH sah darin allerdings eine künstliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebenssachverhalts. Die fristlose und die fristgerechte (ordentliche) Kündigung können demnach gleichzeitig ausgesprochen werden. Die Urteile der Vorinstanzen wurden aufgehoben und zurückverwiesen. Nun müssen die Vorinstanzen allerdings prüfen, ob in den betroffenen Fällen die Voraussetzungen für eine fristgemäße Kündigung überhaupt vorlagen.
Nach bisher vom BGH gefestigter Rechtsprechung (BGH VIII ZR 321/14 = GE 2016,455) dürfte es bei der Wirksamkeit der fristgemäßen Kündigung darauf ankommen, ob das nach dem Zugang der Kündigungserklärung vom Mieter an den Tag gelegte Verhalten die fristgemäße Kündigung in einem „milderen Licht“ erscheinen lässt. Hat beispielsweise der Mieter sich keinerlei Vertragsverstöße mehr zuschulden kommen lassen, pünktlich und vollständig gezahlt oder bestand der Mietrückstand nur für kurze Zeit, so könnte der Räumungsanspruch des Vermieters rechtsmissbräuchlich sein. Ob ein solcher Verstoß gegen Treu und Glauben aber vorliegt, kann nur tatrichterlich, also von Vorinstanzen beurteilt werden.
Immobilienrechtliche Einschätzung
Die „Schonfristregelung“ gilt ohnehin nur, wenn der Mieter in den zwei Jahren vor der fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs nicht schon einmal in den Genuss dieser Regelung gekommen war. Außerdem gilt sie nur für Kündigungen gemäß § 543 Abs. 2, S. 1 Nr. 3 BGB, d. h. wegen Zahlungsverzugs.
Liegen andere Vertragsverstöße des Mieters vor, wie z. B. unpünktliche Zahlungsweise, dann gilt die „Schonfristregelung“ nicht. Diese anderen Verstöße setzen aber in der Regel eine Abmahnung (§ 543 Abs. 3 Nr. 1 BGB) voraus, die, wenn sie vom Mieter nicht beachtet wird, zu einer Beendigung (sei es fristlos, sei es fristgemäß) des Mietverhältnisses führt, ohne dass dem Mieter hier ein Nachholrecht zustünde.
Daher gilt es beim Ausspruch jeder Kündigung sorgfältig abzuwägen, welcher Weg eingeschlagen werden soll. Eine Abmahnung ist auch nur dann wirksam, wenn ein bestimmtes Verhalten als vertragswidrig gerügt und dem Mieter die Konsequenzen bei Fortsetzung aufgezeigt werden (nämlich die Kündigung des Mietverhältnisses).
Liegen mehrere unterschiedliche Verstöße vor, so sollte die Kündigungserklärung umso ausführlicher begründet werden, um Einwände, wie den der Schonfristregelung oder des Rechtsmissbrauchs, möglichst rechtssicher zu entkräften.
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