Der Fall
Die Beklagten hatten im Juli 1990 einen unbefristeten Mietvertrag nach DDR-Mietrecht abgeschlossen. Laut Vertrag konnte das Mietverhältnis nur beendet werden durch:
- eine Vereinbarung der Vertragspartner,
- eine Kündigung seitens des Mieters oder
- eine gerichtliche Aufhebung.
Nach dem Erwerb der Wohnung durch den Kläger kündigte dieser das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Vor Gericht ging es um die Wirksamkeit dieser Kündigung.
Das Urteil
Während das Amtsgericht Berlin-Mitte der Klage des Vermieters in erster Instanz stattgab, wies das Landgericht Berlin die Klage in der von den Mietern angestrengten Berufung ab.
Das Landgericht vertrat die Auffassung, dass sich aufgrund der Vereinbarung zur Mietvertragsbeendigung eine Eigenbedarfskündigung an den §§ 120 ff. ZGB-DDR (das Bürgerliche Gesetzbuch der DDR) orientieren müsse. Daher sei eine Eigenbedarfskündigung nur wirksam, wenn der Vermieter die Wohnung aus gesellschaftlich gerechtfertigten Gründen „dringend“ benötige.
Der BGH widersprach dieser Auffassung und gab dem klagenden Eigentümer Recht. In Bezug auf DDR-Mietverträge entschieden die Richter:
- Eine Eigenbedarfskündigung unterliegt den Regelungen des BGB.
- Ein besonders dringender Grund nach ZGB-DDR ist für eine Eigenbedarfskündigung nicht erforderlich, da das ZGB-DDR keine Anwendung mehr findet.
- Vertragsklauseln, die an das alte DDR-Recht anknüpfen, haben keine Vorrangstellung gegenüber den Regelungen des EGBGB (Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch) und BGB (Bürgerlichen Gesetzbuch).
Mietrechtliche Einschätzung
DDR-Mietverträge bringen häufig rechtliche Unsicherheiten mit sich. Auch wenn es für den Übergang des DDR-Rechts in das Recht der BRD diverse Übergangsregelungen und Fristverlängerungen gab, um die Rechtslage nicht auf Kosten der Mietenden einzuschränken, kann es immer wieder zu Problemen kommen. Gleichzeit wollte der Gesetzgeber auch die Vermietenden schützen, die aufgrund der Regelungen der DDR benachteiligt wurden, und dafür die Regelungen der DDR vollständig an das geltende Recht der BRD anpassen. Dies bedeutete auch Veränderungen gegen den Willen der Mietenden.
Im vorliegenden Fall war die Frage, ob die Regelung im Mietvertrag, dass das Mietverhältnis nur durch Vereinbarung der Vertragspartner, durch Kündigung seitens der Mieter oder durch gerichtliche Aufhebung enden kann, das Recht zur Eigenbedarfskündigung einschränkt.
Da diese Regelung sich sinngemäß am Wortlaut der §§ 120 ff. ZGB orientiert hat, war streitig, wie die Regelung zu bewerten war.
Grundsätzlich ist es so, dass vertragliche Regelungen zwischen den Parteien Vorrang vor gesetzlichen Regelungen haben. Hier lag zwar eine vertragliche Regelung vor, der BGH ließ jedoch offen, ob diese nur deklaratorischen Charakter hatte, deutete dies allenfalls an.
Jedenfalls – so die Richter – sei es Wille des Gesetzgebers gewesen, mit dem Beitritt der DDR zum Gebiet der BRD die Befugnis des Vermieters zur Beendigung eines bestehenden Mietvertrages durch Art. 232 § 2 EGBGB abschließend zu regeln – und andere Regelungen, egal ob gesetzlich oder vertraglich, auszuschließen.
Fazit
Die Entscheidung des BGHs bestätigt, dass Eigenbedarfskündigungen von DDR-Mietverträgen nach den Regelungen des BGB zu handhaben sind. Der Ausspruch der Eigenbedarfskündigung muss dabei natürlich den formellen und materiellen Anforderungen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB entsprechen.
Der Richterspruch sorgt für zunehmende Rechtssicherheit bei Eigentümern von nach DDR-Recht vermieteten Immobilien. Das dürfte insbesondere für den Immobilienverkauf bzw. -erwerb relevant sein.
Doch auch wenn das BGH-Urteil grundsätzliche Wirkung für DDR-Mietverträge entfaltet, müssen in diesem Kontext immer wieder Besonderheiten beachtet werden. Vermietende sind hier gut beraten, sich juristischen Beistand einzuholen.
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